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Religion in der Schule ... und das Geld ist knapp

Der Religionsunterricht ist der Größte

Jede Woche nahmen im Schuljahr 2001/2002 im Bereich badischen Landeskirche 232.000 Kinder und Jugendliche am Religionsunterricht teil, also rund ein Sechstel der 1,36 Mio. Mitglieder der Landeskirche.

Der Religionsunterricht wird in den allgemeinbildenden Schulen auch von etwa 23.000 Kindern und Jugendlichen (freiwillig) besucht, die nicht zur evangelischen Kirche gehören. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen.
Vom evangelischen Religionsunterricht hatten sich an den allgemeinbildenden Schulen 2001/2002 etwa 4.000 Kirchenmitglieder aus Glaubens- und Gewissensgründen abgemeldet. Diese Zahl ist seit Jahren in etwa immer gleich.

Der Religionsunterricht wird von etwa 1.570 Lehrkräften im kirchlichen Dienst (Pfarrerinnen und Pfarrer, Diakoninnen und Diakone, Religionslehrerinnen und Religionslehrer) und etwa 2.760 im staatlichen Dienst (Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten mit mehreren Fächern) erteilt.
Die kirchlichen Lehrkräfte erteilten im Schuljahr 2001/2002 zusammen jede Woche 9.550 Stunden (~ 44,8 %), die staatlichen ungefähr 11.750 (~ 55,2 %). Damit ist die Zielvorgabe der Landessynode von 1994, den kirchlichen Anteil auf 45% zu senken, erreicht.
Die Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer sind jede Woche mit ungefähr 2.800 Wochenstunden im Religionsunterricht tätig, sie tragen damit ca.13 % des gesamten bzw. ca. 29 % des kirchlich erteilten Unterrichts. Die Gemeindediakoninnen und Gemeindediakone erteilen ungefähr 600 Religionsstunden jede Woche, also noch einmal ca. 3 bzw. 6 %.
Etwa 2,9 % des eigentlich zu erteilenden Religionsunterrichts fallen (wegen Lehrkräftemangel u.ä.) aus. In den anderen Fächern liegt der Unterrichtsausfall im Durchschnitt höher.

Der Religionsunterricht kostet viel Geld

Das Land Baden-Württemberg trägt selbstverständlich die Gehälter der staatlich bediensteten Lehrkräfte, wenn sie Religionsunterricht erteilen. Die Landkreise, Städte und politischen Gemeinden tragen (ebenso wie die Privatschulen) die Kosten für die Schulgebäude und die Materialien für den Unterricht.

Für die Personalkosten der kirchlich bediensteten Lehrkräfte gibt es ein kompliziertes Abrechnungsverfahren zwischen Land und Kirche.
Auf Grund von bis heute rechtsverbindlichen Vereinbarungen der Landeskirche mit dem damaligen Großherzogtum Baden zu Anfang des 19. Jahrhunderts ist sie verpflichtet, ein Drittel des Religionsunterrichts an Grund-, Haupt-, Sonder- und Realschulen von kirchlichen Lehrkräften ohne Kostenersatz zu erteilen (sog. Badisches Drittel). Im Schuljahr 2001/2002 wurden in diesen Schulen insgesamt ' 14.754 Wochenstunden evangelischer Religionsunterricht erteilt. Ein Drittel davon haben kirchliche Lehrkräfte ohne Kostenersatz durch das Land zu übernehmen, also 4.918 WStd. Tatsächlich wurden im gleichen Zeitraum in diesen Schulen 5.802 WStd erteilt. Staatliche Ersatzleistungen für diese Personalkosten gibt es also nur für 884 WStd.!

Die damalige Vereinbarung zum Badischen Drittel war eine Folge der Säkularisierung am Anfang des 19. Jahrhunderts. Durch den Einzug der Kirchengüter wurde der bisher tragenden Säule der Pfarrerbesoldung aus Pfarrpfründen der Boden entzogen. Als sich schon bald erhebliche Engpässe bei der Versorgung der Pfarrfamilien einstellten, kam es zur bis heute gültigen Vereinbarung: Der Staat gibt einen Teil der Erträge aus den säkularisierten Kirchengütern an die Kirche, die dadurch die Pfarrerschaft wieder besser bezahlen kann. Als Gegenleistung werden die Pfarrer verpflichtet, ein Drittel des Religionsunterrichts an Volksschulen zu übernehmen, ohne dass dem Land dadurch Personalkosten entstehen. Bis vor wenigen Jahrzehnten geschah dies in der Regel ganz konkret: von den wöchentlichen drei Religionsstunden in den Volksschulen erteilen in jeder Klasse zwei die staatlichen Lehrkräfte und eine der Pfarrer bzw. die Pfarrerin.

• Beim Religionsunterricht der kirchlichen Lehrkräfte an Gymnasien und Beruflichen Schulen und bei dem Anteil, der das „Badische Drittel" an den Grund-, Haupt-, Sonder- und Realschulen übersteigt, gilt eine andere Regelung. Hier bezahlt das Land einen Personalkostenzuschuss (sog. Ersatzleistungen). Auch hier ist das Abrechnungsverfahren kompliziert.
Das Land Baden-Württemberg hat in seinem Haushalt einen Titel für diese Ersatzleistungen ausgewiesen. Die evangelischen und katholischen Kirchen im Land addieren alle RU-Stunden, für die ihnen ein Personalkostenersatz zusteht. Jede Kirche erhält jetzt den Anteil aus dem Ersatzleistungstitel des Landes, der ihrem Anteil am Gesamt des von kirchlichen Lehrkräften erteilten Religionsunterrichts entspricht. Da das Land seine Zusage auf angemessene Erhöhung der Ersatzleitungen seit Jahren nicht einhält, ist der Landeszuschuss auf unter 30% der tatsächlichen bei den Kirchen entstehenden Personalkosten der eingesetzten Lehrkräfte gesunken.

• Weil das Abrechnungsverfahren zu den Personalkosten der kirchlichen Lehrkräfte altes badisches Recht weiterführt, gilt es in genau der gleichen Weise auch für die Erzdiözese Freiburg, aber
nicht für den württembergischen Landesteil. Dort stehen an der Stelle des „Badischen Drittel" sog. „Grundstunden". Die Kirchen im württembergischen Landesteil haben je Gemeindepfarrstelle vier Religionsstunden ohne Personalkostenersatz zu erteilen. Was die Grundstunden übersteigt, geht in das gleiche Abrechnungsverfahren ein, wie es oben für den badischen Landesteil dargestellt wurde.

• Für die Privatschulen haben die vier Kirchen im Land inzwischen ein mit den staatlichen Regelungen vergleichbares Verfahren verabredet. Für das Jahr 2002 rechnet die Landeskirche mit Personalkosten der kirchlichen Lehrkräfte im Religionsunterricht in Höhe von ca. 15,5, Mio. Euro , dem stehen erwartete Ersatzleistungen in Höhe von ca. 7,5 Mio. Euro entgegen. Die Landeskirche muss also voraussichtlich 8 Mio. Euro zusätzlich aufwenden.
In dieser Zahlen sind die Anteile für die Vergütung der Pfarrerinnen und Pfarrer und Gemeindediakoninnen und Gemeindediakone für den im Rahmen ihres Regeldeputats erteilten Religionsunterricht nicht enthalten. Auch sind die Bezüge der Lehrkräfte im Ruhestand nicht einbezogen.

Das Geld der Landeskirche wird weniger

In den letzten Jahren musste die Landeskirche deutliche Rückgänge bei ihren Einnahmen hinnehmen, so dass überall spürbare Senkungen bei den Ausgaben vorgenommen werden mussten. Am deutlichsten spürbar war dies beim Beschluss der Landessynode, in den Jahren 1998 bis 2003 insgesamt 100 (von ca. 700) Gemeindepfarrstellen ' und 20 Stellen von Gemeindediakoninnen bzw. Gemeindediakonen zu streichen. Dieser Beschluss hatte auch auf den Religionsunterricht empfindliche Auswirkungen.
Mit jeder gestrichenen Gemeinde(pfarr)stelle entfallen auch die zur Stelle gehörenden Religionsstunden.
Im Stellenplan für den Religionsunterricht wurden in den letzten 10 Jahren insgesamt 47 Stellen gestrichen. Das sind ~ 15% der Stellen.

Die Schuldekaninnen und Schuldekane können konkret über die Situation im Bezirk Auskunft geben. Erfreulich ist, dass trotz der Kürzungen kein Ansteigen des Unterrichtsausfalls zu verzeichnen war.

„Ohne Religionsunterricht können wir nicht an Gott glauben!" So schrieben Schülerinnen und Schüler einer Fellbacher Realschule im Juli 2002 auf ein Plakat. An ihrer Schule droht Ausfall von Religionsunterricht.

Evangelischer Oberkirchenrat
Referat Erziehung und Bildung in Schule und Gemeinde
Karlsruhe, den 16.9.2002

 


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