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Ein kleiner ‚Knigge’ zum
konfessionell-kooperativen Religionsunterricht in Baden-Württemberg

Herausgegeben vom Vorstand des Fachverbandes evangelischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer in Baden e.V., veröffentlicht im entwurf 2/2006

Die andere Position ist kein Klischee, sondern ein ernsthaftes Gegenüber.

Konfessionelle Identität speiste und speist sich zum Teil bis heute aus Glaubenskämpfen vergangener Tage. Nach fast 500 Jahren getrennter Wege ist kritisch zu prüfen, inwieweit bestimmte theologische Fronten heute noch gültig sind oder aber der Vergangenheit angehören. Das Reproduzieren alter Klischees und das Aufreißen längst zugeschütteter Gräben achtet nicht die innerkirchliche Entwicklung der anderen Konfession. Stattdessen versucht eine konfessionelle Kooperation die jeweils andere Position fair und aus heutiger Sicht darzustellen – was wiederum der konfessionellen Kommunikation bedarf.

Konfessionelle Kooperation braucht eine geistliche Haltung, die unabhängig von Mehrheitsverhältnissen Partnerschaft zwischen den Konfessionen anstrebt.

Partnerschaft im Geist des Evangeliums kann nicht von Zahlenverhältnissen abhängen. Dies gilt insbesondere in Diaspora-Gebieten. Als Mehrheit sollen wir keine Sorge haben, den kleineren Partner aufzuwerten; als Minderheit nicht die Sorge, übergangen und ignoriert zu werden. Z.B. sollten wir Schulgottesdienste in einem fairen Wechsel in den Räumen beider Kirchen feiern oder Leitungsverantwortung in der ökumenischen Fachkonferenz im Wechsel zwischen den Konfessionen wahrnehmen.

Konfessionelle Kooperation braucht Vertrauen.

Vertrauen wächst durch offene Begegnungen, offenen Austausch von Informationen und Einschätzungen, offenen Umgang mit den jeweiligen Ressourcen – und auch durch gezielte Vertrauen bildende Aktionen. Das Vertrauen wird untergraben, wenn ständig nachgerechnet und gezählt wird, ob auch wirklich eine perfekte konfessionelle Ausgewogenheit besteht.

Konfessionelle Kooperation braucht Selbstvertrauen und eigene konfessionelle Beheimatung.

Was an der anderen Konfession möglicherweise fremd, sperrig oder auch schwer verständlich ist, kann, soll Anlass zum Gespräch und zum Versuch eines echten Verstehens sein. Es kann aber auch dabei bleiben, dass Aspekte fremd und sperrig bleiben. Das soll aber nicht zum Nivellieren und Abschleifen konfessioneller Profile führen nach dem Motto: „Letztlich glauben wir doch an denselben Gott.“ In dem Ausbalancieren von Distanz und Annäherung kann es gelingen, Identität zu bewahren und Veränderung zu gestalten.(“1)

Konfessionelle Kooperation ist ein Dienst an Kindern und Jugendlichen.

Kinder und Jugendliche auf dem Weg zu einer konfessionellen Identität zu begleiten, ist eine wichtige religionspädagogische Aufgabe. Sie darf nicht durch konfessionelle Abgrenzung oder gar Vertiefung der Unterschiede verfolgt werden.

Konfessionelle Kooperation braucht vor allem konfessionelle Kommunikation.

Die Chance eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichtes liegt besonders darin, miteinander über die jeweils andere Position ins Gespräch zu kommen. Ein reines Reden übereinander beraubt sich dieser Chance. Gelingende konfessionelle Kooperation und gelingende Kommunikation beeinflussen sich gegenseitig.

Konfessionelle Kooperation ist keine Werbung in eigener Sache!

Ausdruck von Bildung ist immer auch, Dinge und Einschätzungen aus der Position der jeweils anderen wahrzunehmen („wechselseitige Perspektivenübernahme “2). Dies gilt auch im Hinblick auf Traditionen und Lehren der jeweils anderen Konfession. Die Chance, die konfessionelle Kooperation bietet, wird verfehlt, wenn sie dazu benutzt wird, die eigene Position als Grundlage von Wahrheit zu begreifen, von der aus die andere Position bewertet und (ab)gewertet wird.

Es ist fair, wenn so über die andere Position gesprochen wird, als wäre ein Vertreter von ihr anwesend.

Manches Wort über einen anderen Menschen bliebe in dessen Gegenwart besser ungesagt. Eine gute Regel für eine konfessionelle Kooperation lautet daher: Ich spreche so über die andere Konfession, als schaue mir ihre Vertreterin bzw. Vertreter über die Schulter.

Verletzungen aufgrund kontroverser theologischer Auffassungen gilt es zu vermeiden – mit theologischen Unterschieden kann man auch konstruktiv umgehen.

Ziel konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts ist es, weder theologische Unterschiede zwischen den beiden Konfessionen zu nivellieren, noch zu verstärken. Die Nicht-Zulassung evangelischer Schülerinnen und Schüler zur Eucharistiefeier oder die Einladung katholischer Schülerinnen und Schüler zum Abendmahl können zu Verletzungen führen, wenn sie beharrlich verfochten werden. Da die Auswirkungen unterschiedlicher theologischer Auffassungen in der Schule nicht ausgeräumt werden können, gilt es, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die keine Seite verletzen.

Die Stärken und Schwächen der jeweils anderen Konfession gilt es zuzulassen und anzuerkennen.

Mit Verlassen der eigenen konfessionellen Grenzen hin zur jeweils anderen Konfession mag unter Umständen eine Irritation der eigenen Identität einhergehen, die es neu zu stabilisieren gilt. Dabei ist es wenig hilfreich, allein die vermeintlichen Schwächen der jeweils anderen Position wahrzunehmen und diese „aufzuspießen“. Ebenso wenig hilfreich ist es umgekehrt, angesichts mancher (vermeintlicher) Stärke der jeweils anderen Position die eigene Konfession schlecht zu reden oder als minderwertig darzustellen. Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht kann somit einen Beitrag zum konfessionellen Reichtum der einen Kirche Jesu Christi und zu einer gegenseitigen Toleranz und Achtung leisten.



1 Was G. Böhm als Gebot der Hermeneutik für „Fremde Religionen im christlichen RU“ schreibt, gilt u.E. gleichermaßen für die konfessionelle Kooperation. Vgl. entwurf 1/2002, Seite 7: „Verstehen und Begegnen tendieren zur Überwindung oder Minimierung von Distanz ... Notwendig ist eine ‚Differenzhermeneutik’ (Theo Sundermeier), die das Differente verstehen lehrt, ohne es zu vereinnahmen, denn in dem Bestreben, die Polarität von Distanz und Annäherung aufrechtzuerhalten, kann es gelingen, Identität zu bewahren und zugleich Veränderung zu ermöglichen.“

2 Vergleiche: Grundlagenplan für den katholischen Religionsunterricht in der gymnasialen Oberstufe/Sek.II, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2003, S. 31 ff.


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